Der Tropische Süden Indiens

Twenty years from now you will be more disappointed by the things you didn’t do than by the ones you did do. So throw off the bowlines, sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover. – Mark Twain

Bevor ich vom „Bay of Bengal“ an die indische Westküste wechselte verbrachte ich noch einige Tage in Chennai und kurz darauf ein wenig mehr Zeit in Bangalore, dem indischen Silicon Valley. Nahezu alle größeren IT-Firmen haben sich hier mittlerweile niedergelassen und ich bekam zur Abwechslung die Gelegenheit, die Stadt und seine IT-Parks auf dem Rücksitz von Mohan’s Royal Enfield zu erkunden.

Von Bangalore machte ich mich auf nach Hampi, der früheren Hauptstadt des Königreiches Vijayanagar. Zu Zeiten des letzten großen Hindu-Reichs wurde von hier aus einst nahezu ganz Südindien regiert.

Hampi liegt am Südufer des Tungabhadra-Flusses zwölf Kilometer nordöstlich der Stadt Hospet. Obwohl von den Festungsmauern  nur noch Reste erhalten sind und auch von den Palästen lediglich noch die Grundmauern stehen, haben zahlreiche Tempel aus hartem Granit die Zeit überdauert. Ich sah zu, dass ich bei den hiesigen Temperaturen aus meinem Klim-Anzug kam, nahm eine Dusche und machte mich auf einen mehrstündigen Fußmarsch zum Vittala Tempel. Am späten Nachmittag erkundete ich das weitere Umfeld mit der GS. Tempel und Steinformationen wurden in ein rötliches Licht getaucht während die Sonne langsam hinter Koksnusspalmen verschwand.

Am darauffolgenden Morgen verließ ich Hampi wieder und gedachte die Nacht in Dandeli zu verbringen. Der kleine Ort liegt in einem Naturschutzgebiet, sprach mich jedoch weit weniger an als erwartet und so entschied ich mich kurz nach Mittag, noch am selben Tag bis Goa weiterzufahren.

Was ich an aufregenden Dschungel-Exkursionen in Dandeli verpasst haben mochte, wurde durch einen abenteuerlichen Ritt quer durch den Urwald mehr als wettgemacht. Ich war ursprünglich der Meinung, einer allgemein befahrenen Strasse zu folgen. Doch je weiter sich meine aktuelle Position vom ursprünglichen GPS-Track entfernte, je „interessanter“ wurde die Reise durch den Wald. Gegen 16:00 Uhr machte auch ich mir dann Gedanken, ob ich auf diesem Weg tatsächlich noch nach Goa kommen würde. Solange mein Weg Richtung Westen führte war alles in Ordnung. Unglücklicherweise wand sich der Pfad mal nach Norden, mal nach Süden und zeitweise sogar in die entgegensetzte Richtung. Schlammige Wasserlöcher und steinige Steigungen durch einen dicht bewachsenen Urwald ließen mich mehr als einmal zweifeln. In gut zwei Stunden würde die Sonne untergehen. Sollte ich tatsächlich umkehren müssen, hätte ich den Wald wohl kaum mehr im Hellen verlassen. Eine wenig romantische Vorstellung vor dem Hintergrund der sich hier heimisch fühlenden Tierwelt.

Dennoch muss ich zugeben, dass ich diesen einsamen Ritt durch den Urwald irgendwie genoss. Nach so vielen Wochen auf indischen Strassen, wo man nahezu niemals alleine ist, wo sich stets Menschen um mich versammeln ganz gleich wo ich anhalte, wo ich kaum jemals die Gelegenheit hatte, mich zurückzuziehen, war dieser Nachmittag eine wahre Freude. Ich folgte einem einsamen Track nicht wirklich wissend, ob er mich tatsächlich nach Westen führt. Doch ich konnte anhalten und den Geräuschen der Natur lauschen wo immer ich wollte, Photos machen, ohne beobachtet zu werden … Ich war einfach mal wieder für mich.

Für jemanden, der Indien nicht auf die gleiche Weise erfahren hat, mag es merkwürdig klingen, doch was ich hier wirklich vermisste, waren Momente für mich allein. In allen Ländern, welche ich auf dieser Reise durchquerte, fanden sich Gelegenheiten, um auf der Strasse auch mal für sich zu sein – sofern man dies denn wünschte. Anders jedoch in Indien. Oft kaufte ich etwas zu Essen oder zu Trinken in einem Ort, wurde dann sofort von 10-20 Indern umringt, packte meine Sachen und fuhr aus der Stadt heraus, um irgendwo auf der Landstrasse anzuhalten und in Ruhe zu rasten. Doch selbst dann hielt oft das nächste vorbeikommende Moped aus Neugier direkt neben mir. Dann ein weiteres … und schon war man nicht mehr allein.

Ich fand meinen Weg nach Goa noch vor Sonnenuntergang und genoss einen Abend bei leckerem Chicken Tikka Masala, Naan, Tandoori Chicken, und einem kaltem Bier.

Doch Goa hat sich in den letzten Jahren sehr verändert und zeitweise könnte man den Eindruck erlangen, als seien einige Strände zu russischen Enklaven mutiert. Wenn selbst Restaurants in kyrillischer Schrift werben und Speisekarten in Russisch ausgegeben werden, dann kann man schon mal daran zweifeln, ob man sich tatsächlich noch in einer ehemaligen portugiesischen Kolonie befindet.

Wie dem auch sei, ich verließ Goa einige Tage später in Richtung Süden und machte mich auf nach Gokarna. Ursprünglich ein hinduistischer Pilgerort, fand ich hier den für mich schönsten Strand auf meinem Abenteuer „Heading East“. Ich nahm mir vor noch einmal an diesen Ort zurückzukehren bevor ich meine Reise in Mumbai beenden würde …

Von Gokarna ging es über Mangalore ins so genannte „Honey Valley“. Mohan hatte mir diesen Ort inmitten von Kaffee-Plantagen empfohlen. Es war eine Oase der Stille, abgeschieden vom Trubel der Städte und dem Irrsinn auf indischen Strassen. Ich verweilte hier drei Tage, widmete mich ein wenig dem Schreiben, plante meinen Weg nach Kap Komorin, der Südspitze des indischen Subkontinents und hatte ein paar gute Gespräche mit Steve, einem Briten, der ebenfalls auf einer Weltreise war. Dann machte ich mich auf nach Mysore, wo sich einer der berühmtesten Palastbauten ganz Indiens findet: Amba Vilas. Der Palast war einst die Residenz des dortigen Maharajas und angeblich bewohnen dessen Nachfahren noch heute einen Teil des traumhaft anzusehenden Prachtbaus.

Weiter nach Süden drängend, warteten noch ein paar schöne Berglandschaften auf mich und ich wollte es mir nicht nehmen lassen, die auf 2.250 Metern gelegene Bergstation Ooty zu besuchen. Auf meinem Weg durch die umliegenden Nationalparks hießen mich dutzende Rehe und Hirsche am Straßenrand willkommen. Udagamandalam (kurz „Ooty“) ist ein kleiner, bunter Ort im Bundesstaat Tamil Nadu. Das Klima ist kühl und die Hügel grün und fruchtbar. Während der Ort an sich mich jedoch nur wenig zu begeistern vermochte, wusste die umliegende Berglandschaft mich sehr wohl in ihren Bann zu ziehen. Ich blieb dennoch nur eine Nacht und machte mich bei Sonnenaufgang auf den Weg nach Kerala.

Es wurde Zeit für die Backwaters und die Teeplantagen von Munnar …