Der Taj Mahal, Rajasthan und Gujarat

The happiest of people don’t necessarily have the best of everything; they just make the most of everything that comes along their way.  –  Karen S. Magee

Die Geschichte des Taj Mahal ist auch die Geschichte einer großen Liebe, es ist die Geschichte einer zerrissener Familie, die Geschichte untröstlicher Trauer und eine Geschichte um Macht und Einfluss. Rabindranath Tagore beschreibt das Meisterwerk als “teardrop on the cheek of Eternity”, Rudyard Kipling als “the embodiment of all things pure” und sein Erbauer, Shah Jahan, sagt der Taj Mahal liess “the sun and the moon shed tears from their eyes”.

Im Jahr 1631 gebar Mumtaz Mahal, die dritte Frau von Shah Jahan sein 14. Kind. Mumtaz starb bei der Geburt und ließ den Großmogul in tiefer Trauer und mit gebrochenem Herzen zurück. Der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Gemahlin soll so groß gewesen sein, dass das Haar des Shahs sprichwörtlich über Nacht ergraute. Kurz darauf beschließt Jahan, seiner Gattin ein Denkmal zu setzen. Es wird eines der berühmtesten Grabmäler der Geschichte werden. Im darauffolgenden Jahr beginnen die Baumassnahmen. Mehr als 20.000 Arbeiter aus Indien und Zentral-Asien werden am Bau beteiligt sein. Spezialisten aus Europa werden hinzugezogen und obwohl das Hauptgebäude in nahezu acht Jahren errichtet worden sein soll, der gesamte Komplex wurde erst 1653 fertig gestellt.

Nur wenige Jahre nachdem der Taj Mahal in seiner ganzen Schönheit erstrahlte, wird Shah Jahan von seinem Sohn Aurangzeb gestürzt und im Agra Fort für den Rest seines Lebens eingesperrt bleiben. Sein Meisterwerk aus weißem Marmor sollte er fortan nur noch aus der Ferne und durch das Fenster seiner Gefängniszelle zu sehen bekommen. Erst nach seinem Tode im Jahr 1666 würde der Shah seiner Gemahlin wieder nahe sein. Er wurde unterhalb des Taj Mahal neben dem Grabstein seiner Frau beigesetzt.

Begibt man sich bei Sonnenaufgang auf die Ostseite des Taj Mahal, kann man beobachten, wie die im Marmor eingearbeiteten Edelsteine kleinen Feuer ähnlich aufleuchten. Das Kunstwerk aus weißem Marmor verändert seine Farbe bis die Sonne hoch hinaufgestiegen ist. Der Taj Mahal wird weitläufig als eines der schönsten Bauwerke der Welt bezeichnet und jährlich strömen weit mehr als eine Million Menschen durch die Tore der Stadt, um sich das architektonische Meisterwerk anzusehen. Nur wenige gehen enttäuscht. Ein wahrlich gewaltiges und prunkvolles Grabmal.

Von Agra machte ich mich auf nach Sawai Madhopur, einer kleinen Stadt nahe des Ranthambhore National Parks. Nachdem ich bereits in einem Nationalpark in Nepal den Versuch unternommen hatte, Tiger zu sichten und das ganze Unternehmen eher einer Fahrt durch den Wald glich, dachte ich mir, ich versuch’s noch einmal in Indien.

Um 5:00 Uhr morgens war ich am Ticket-Office. Mein lieber Herr Gesangsverein! Das war Indien wie es leibt und lebt. Da gab es ja wohl gar kein System. Gut zwei Dutzend indischer Tour Guides rang hier um die ersten Plätze am Ticketschalter. Die rangelnden Inder bekamen sich dabei gelegentlich mächtig in die Haare. Es gab keine Schlange zum Einreihen und keine Reihenfolge, lediglich ein wildes Gedränge. Ein junger Inder sprach mich an, wobei ich zugeben muss, dass ich so früh am Morgen wenig an einem „Verkaufsgespräch“ mit einem lokalen Tour-Guide interessiert war. Doch der junge Inder machte einen recht gebildeten Eindruck … Es stellte sich heraus, dass er neben mir der einzige Tourist war, der sich auf das Abenteuer einließ, seine Safari auf eigene Faust zu organisieren, anstatt die Tour über die ansässigen Hotels zu buchen. Sein Name war Pranjal und aus dieser morgendlichen Begegnung sollte noch eine Freundschaft werden. Als ich ihn fragte, wann hier die Karten nun verkauft werden, meinte er nur, dass alles Wesentliche bereits geschehen sei. Na toll. Wie sollten wir dann bitte an unsere Safari-Tickets kommen?

So richtig verstehen muss man das nicht, aber irgendwie bekamen wir es hin, dass wir letztlich auf einer der Listen landeten und um 7:30 Uhr saßen wir in einem Jeep. Es war ein kalter Morgen und wie ich natürlich erst später erfuhr, stehen die Chancen einen Tiger zu Gesicht zu bekommen um diese Jahreszeit nicht sonderlich gut. Es sollte aber dennoch der Morgen werden, an dem ich meinen ersten Tiger in freier Wildbahn sah.

Gegen Mittag verabschiedete ich mich von Pranjal und machte mich auf nach Jaipur. Der Verkehr in Jaipur war wie in allen Großstädten Indiens chaotisch. Von der Verkehrsdichte in Indien kann man sich nur schlecht ein Bild machen, wenn man es nicht selber erlebt hat. Aber bei 1,3 Milliarden Indern und einer grundsätzlichen Tendenz zur Selbstbestimmung im Straßenverkehr, darf man davon ausgehen, dass man förmlich von nach Vorne drängenden Indern eingeschlossen wird.

Da sich grundsätzlich jeder zu jeder Zeit benachteiligt fühlt und bei Grün immer noch die „anderen“ fahren, macht man es dann bei Rot genauso und zahlt es den „anderen“ heim. Unglaublich effektiv. Die Kreuzungen waren nicht selten mit wild hupenden Autos, Lastwagen und Bussen verstopft. Als der Verkehr mal etwas flüssiger lief, hielt ich schlicht aus Prinzip an einer roten Ampel an. Mir war schon klar, dass ich mit meinem Verhalten nicht die Herzen meiner hinter mir fahrenden indischen Freude gewinnen würde. Doch sei’s drum. „You can’t be everybody’s darling.“ Es wurde laut gehupt und der Verkehr floss fröhlich munter rechts und links an mir vorbei. Ich hab‘ das Ganze noch genau einmal wiederholt … Das Problem ist, dass man selber zum unerwarteten Hindernis wird. Man tut sich also nicht unbedingt einen Gefallen und ich hatte wirklich keine Lust darauf, dass mich irgendein unachtsamer indischen Lastwagen irgendwann mit ungebremster Wucht über die Kreuzung schießt. Das Problem müssen tatsächlich andere in Indien lösen. Für mich galt von nun an, sich dem Fluss und den ungeschriebenen Regeln so gut wie möglich anzupassen und gefahren wird immer dort, wo Platz ist.

Ich traf Pranjal zwei Tage später in Pushkar wieder, einem kleinen aber bedeutenden Pilgerort für Hindus. Der Ort umschließt einen heiligen See und obwohl – wie so oft an solchen Orten – religiöse Beweggründe mit kommerziellen vermischt wurden, war es dennoch eine kleine Oase der Ruhe mit bunten Gassen und einer grandiosen Aussicht über den See.

Wer hätte übrigens gedacht, dass ich mir mit jemandem, den ich gerade einmal ein paar Stunden kannte, ein Zimmer teilen würde. Und es kam auch gar nichts abhanden 😉 Ich verbrachte mit Pranjal ein paar nette Stunden in Pushkar und gab ihm am nächsten Tag einen „Lift“ zum Bahnhof in Ajmer. Leider hatte er an diesem Tag das Nachsehen. Kurz bevor er den Zug bestieg, zog ihm jemand unbemerkt den BlackBerry aus der Hosentasche. Ich hörte erst drei Tage später wieder von ihm.

Rajasthan mit seinen vielen Forts und Palästen gehört mit zu den schönsten Regionen Indiens. Von Pushgar reiste ich nach Jodpur und dann weiter in die Wüste von Jaisalmer. Nahe Jaisalmer verbrachte ich im Rahmen einer kleinen Camel-Safari eine Nacht unter freiem Himmel und genoss die Ruhe fernab von Trubel und Hektik. Der Camel-Treiber kochte uns ein einfaches aber durchaus schmackhaftes Mahl und während sich unser Blick in einem prachtvollen Sternenhimmel verlor, schliefen wir im Sand der Wüste ein.

Dann machte ich auf eine mehrtägige Fahrt nach Gujarat. Kurz bevor ich Bhuj erreichte, brannte mir bereits das vierte Abblendlicht auf dieser Reise durch. Eine passende Glühlampe zu finden, kann in Indien zur echten Herausforderung werden. Ich fragte wohl in einem halben Dutzend Shops, sowie in Verkaufhäusern für Autos und Motorräder. Am Ende waren es die Jungs von Chevrolet in Bhuj, die mich mehr als überraschten. Während man vielerorts gerne auch mal übers Ohr gehauen wird, kam man mir hier mit einer Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft entgegen, die ihres Gleichen suchte. Man bestand sogar darauf, dass ich die Glühlampe als Geschenk akzeptiere und gab mir noch eine zweite als Reserve mit. Während mein Bike von der Belegschaft gewaschen wurde, lud man mich auf einen heißen Becher mit süßem Chai ein.

Das Gebiet im Nordwesten von Gujarat trägt den Namen „Great Rann of Kutch“ und darf wohl als geographisches Phänomen bezeichnet werden. Spektakulär anzusehen ist die „Weiße Wüste“. Ein großen Salzsee, der sich während des Monsuns füllt und von November bis April austrocknet.

Als ich die weiß glitzernde Oberfläche aus der Ferne erblickte, war bereits klar, dass ich da mit dem Bike drauf muss. Mir war jedoch nicht entgangen, dass alle Pkw’s am Rande der „White Desert“ parkten. Ich konnte mir schon denken warum … aber hey, gute Fotos gibt es selten umsonst … und an manchen Tagen steckt eine anständige Portion physischer Arbeit in den Bildern. Die Aufnahmen dürften für sich sprechen … und wie ich vom See wieder herunterkam, ist eine andere Geschichte. November war der erste Monat, in dem der See anfängt auszutrocknen und unter der Salzschicht war der See glitschig wie Schmierseife. Meine GS versackte mir kläglich in der Motter und es bedurfte schon mehr als einen Mann, um das Bike wieder vom See zu bekommen.

Doch Gujarat hat noch mehr zu bieten. Im Hafen von Mandvi kann man zusehen, wie hunderte von Männern gewaltige Holzschiffe bauen und im Süden von Gujarat, an der Küste des Arabischen Meeres findet sich eine kleine Ex-Portugiesische Stadt namens Diu. Wenig Verkehr und zumeist saubere und ruhige Gassen laden hier zum Verweilen ein.

Dann wurde es jedoch Zeit, meinen langen Weg zurück nach Delhi anzutreten. Ich machte noch für ein paar Tage Halt in Udaipur und tauchte dann wieder in die Hektik und luftverschmutzte Atmosphäre der Hauptstadt ein. Es waren nur noch wenig Tage bis Weihnachten und ich hatte ein Versprechen einzulösen …

Varanasi, eine der heiligsten Städte im Hindu-Universum, Kalkutta und das Lebenswerk von Mutter Theresa, Bangalore mit seinen Techno-Parks und der tropische Süden Indiens würden bis Januar warten müssen.

_