Kambodscha und seine verlorenen Städte

Travel is fatal to prejudice, bigotry, and narrow-mindedness, and many of our people need it sorely on these accounts. Broad, wholesome, charitable views of men and things cannot be acquired by vegetating in one little corner of the earth all one’s lifetime.  –  Mark Twain

Die erste Nacht in Kambodscha verbrachte ich in Kep, im Süden des Landes. Es ist ein kleiner Ort an der Küste, nicht sonderlich spektakulär aber genau richtig, um ein wenig zu chillen. Am nächsten Tag war lediglich ein Tagestrip in den Bokor Nationalpark geplant. Während die neue Strasse zur Bergstation das Herz höher schlagen liess, ist die Verbindungsstrasse zwischen Kep und Kampot derzeit ein ziemlich staubiges Unterfangen und ich durfte genau dort am Abend noch etwas länger pausieren …

Die Bergstation (Bokor Hill Station) wurde um 1920 von den Franzosen errichtet. Vom Gipfel hat man eine beeindruckende Aussicht auf die Küstenlinie Kambodschas. Der kleine hier ins Leben gerufene Ort wurde jedoch aufgegeben, als die Truppen der Khmer Rouge in den 70ger Jahren das Gebiet infiltrierten. Die ehemals katholische Kirche des Ortes steht heute einsam abseits der Strasse und nur der Wind pfeift noch durch das leere Gotteshaus. Nur der Wind? Die Kirche war nicht ganz so verlassen, wie es anfänglich den Anschein hatte. Inmitten verwahrloster und mit Graffiti „verzierter“ Mauern fand sich eine Marienstatue, geschmückt mit frischen Gräsern und Feldblumen. Es war eine Überraschung der besonderer Art … und in der Tat ein Ort zum Innehalten.

Auf meinem Weg zurück hatte ich dann erneut das zweifelhafte Vergnügen, diesen wenig amüsanten Streckenabschnitt in Richtung Kep zu passieren. Hab ich mal erwähnt, was das von mir meistgeschätzte Feature des BMW Bordcomputers ist? Das RDC, das Reifendruckkontrollsystem. Wann immer ich tiefe Löcher, harte Kanten oder größere Steine unter die Räder bekam, fiel mein Blick reflexartig auf die Anzeige. Dabei ist es ist für mich immer wieder erstaunlich, was diese Reifen wegstecken können.

Mit dem ersten Satz Reifen gab es keinerlei Probleme, aber seit ich das zweite Paar in Kirgistan aufgezogen hatte, kam es ständig zum Druckverlust. Das muss nicht zwingend an den Reifen gelegen haben, es kann durchaus damit zusammen hängen, wie diese aufgezogen wurden. Ein tägliches Ärgernis war es dennoch und ich musste gewöhnlich alle zwei, drei Tage pumpen. Auf dem Torugart Pass von Kirgistan nach China verlor mein Vorderrad innerhalb von einer Stunde so viel Druck, dass die Kontrollleuchte auslöste. Da hat man besser die richtige Ausrüstung dabei, um das Problem im „Niemandsland“ auch beheben zu können.

Doch zurück auf unsere staubige Verbindungsstrasse. Ein routinierter Blick auf die Anzeige … WHAT THE HECK ! Innerhalb der letzten 10 Minuten musste ich 0,5 Bar verloren haben. Die Indikation war klar … und mit jedem Kilometer verlor mein Hinterrad weitere 0,1 Bar. Glückwunsch! Und das auf dieser Traumstrasse, wo man bei entgegenkommenden Fahrzeugen für einige Sekunden den Atem anhält, da man vor Staub kaum das vorausfahrende Fahrzeug sehen kann.

Ich drosselte meine Geschwindigkeit, um einen halbwegs passablen Platz am Rande der Strasse zu finden. Was für eine nette abendliche Aufgabe. Es war die erste Reifenpanne seit ich mich Ende April auf den Weg gemacht hatte. Meine GS kommt mit Schlauchlos-Reifen daher und ein entsprechendes Reparatur-Set hatte ich dabei. Genau genommen, hatte ich zwei Systeme dabei. Ein Kit, welches ich daheim erworben hatte und welches mich wenig überzeugte und ein zweites, welches ich BigJim abkaufte, bevor sich unsere Wege in Thailand trennten und er zurück nach England flog. Sein System war deutlich smarter, ist nur leider in Deutschland nicht erhältlich. Ein scharfes Metallstück hatte sich seitlich in meinen Hinterreifen gebohrt. Ich gab meinem Kit eine kurze und faire Chance … das war’s aber auch. Verglichen mit dem „Tire-Plugger“, den ich von Jim bekommen hatte, war mein System wenig benutzerfreundlich.

Doch gab es noch eine zweite Schadstelle am Hinterrad, welche mir mehr Sorgen machte. Es war ein 3-4 Zentimeter grosser Riss. Ich sah mir den Schaden etwas genauer an und als ich etwas Druck auf die Stelle gab, entwich auch hier hörbar Luft. Nun war ich mir nicht sicher, ob ich das gefixt bekomme, aber grossartige Alternativen hatte ich ja ohnehin nicht. Die letzten 14.000 Kilometer hatten sichtlich ihre Spuren hinterlassen. Insbesondere mein Hinterrad hatte mittlerweile dutzende von kleinen Einschnitten und nur noch wenig Profil. Traktion auf schmierigem Untergrund war quasi schon länger nicht mehr existent.

Somit versuchte ich dann auch, ein nagelneues Paar Reifen in Phnom Penh aufzutreiben. Doch nach drei Tagen musste ich ernüchtert feststellen, dass sich nichts brauchbares in der Hauptstadt finden liess. Ich wusste, dass es in Thailand passende Reifen für mein Bike gab, aber wie sich herausstellte importiert Kambodscha Reifen aus Japan, den USA, Malaysia … jedoch nicht aus Thailand. Huhh ? Thailand wäre am nächstliegendsten. Es sind gerade einmal 700 Kilometer von Bangkok nach Phnom Penh. Ich fragte in einem halben Dutzend Läden, ob jemand Reifen aus Thailand ordern könnte. Keine Chance. Man darf vermuten, dass die Beziehungen zwischen Kambodscha und Thailand nicht nur von inniger Freundschaft und Harmonie geprägt sind …

Fazit: Meine Reifen mussten noch einmal weitere 3.000 Kilometer halten … oder mit anderen Worten, sie mussten mich noch durch Kambodscha und Laos bringen bis es in Bangkok endlich neue gab.

Die Tempel von Angkor

Von Phnom Penh führte mich mein Weg nach Siem Reap, einem Ort, dem ich schon lange mit Erwartungen entgegensah. Doch wo fängt man an, wenn man über Angkor spricht? In einer Welt der inflationären Superlative, in der jene Worte, welche Einzigartigkeit ausdrücken sollen, alltägliche Verwendung finden, in der alles „sehr“, „super“ und „unglaublich“ interessant ist, fällt es zeitweise nicht ganz leicht, Begriffe und Unterscheidungskriterien zu finden, die etwas derart Beeindruckendes zu beschreiben vermögen.

Der Lonely Planet setzt die Tempel von Angkor mit den epischen Proportionen der Chinesischen Mauer, der Komplexität und Detailtiefe des Taj Mahal sowie der Symbolik und Symmetrie der Pyramiden gleich. Ich kann nicht sagen, ob der Vergleich in Gänze zutrifft, aber ich darf sagen, dass ich nicht leicht zu beeindrucken bin …

Angkor Wat machte aus der Ferne einen gar nicht so gewaltigen Eindruck. Doch nachdem ich mehrere Stunden in der Tempelanlage zugebracht hatte, Steintreppen auf- und abstieg, Gänge, Innenhöfe und Gebäude durchstreifte, um schliesslich den Hauptturm der Anlage zu erklimmen, darf ich zumindest für mich festhalten, dass Angkor Wat eines der beeindruckendsten, von Menschenhand geschaffenen, architektonischen Meisterwerke der Geschichte ist.

Die Geschichte Angkors, als dem zentralen Siedlungsgebiet des historischen Khmer-Königreiches Kambuja, ist auch die Geschichte der Khmer vom 9. bis zum 15. Jahrhundert. Angkor Wat ist dabei nur ein – wenn auch der größte – Tempel innerhalb der Anlage. Daneben gibt es noch eine Vielzahl weiterer Tempel, welche auf ihre Art nicht weniger beeindruckend sind. Angkor Thom, die grosse Hauptstadt hat dabei flächenmässig den grössten Anteil. Die quadratische Anlage ist umgeben von einem breitem Wassergraben und gut acht Meter hohen Mauern. Einer der bekanntesten Tempel innerhalb dieser Mauern ist der Bayon, mit seinen gewaltigen in Stein gemeißelten Gesichtern. Und dann ist da noch Ta Prohm, einige Kilometer nordöstlich von Angkor Wat und fuer mich der wohl faszinierendste Tempel. Es ist ein vom Dschungel vereinnahmter Juwel und eine einzigartige Kombination aus wilder Natur und jahrhundertealter Architektur.

Ich verbrachte zwei Tage innerhalb der Anlage, sah den Sonnenaufgang über Angkor Wat und den Sonnenuntergang von Phnom Bakheng und musste am Ende einmal mehr feststellen, dass es Königreiche und Imperien gab über die ich nur wenig oder nahezu gar nichts weiss …

Die letzte Nacht im Land verbrachte ich in Ban Lung, im Nordosten des Landes. Den Ort erreichte ich erst am frühen Abend, aber es war noch genug Zeit, um im nahe gelegenen See, ein erfrischendes Bad zu nehmen und um ein wenig mit den Lokals zu plaudern. Der See ist ein mit außergewöhnlich klarem Wasser gefüllter Vulkankrater. Es war ein gut gewählter Ort für meinen letzten Abend in Kambodscha.

Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg nach Laos …

.