Tuol Sleng - Ein (weiteres) trauriges Mahnmahl der Geschichte

Throughout history, it has been the inaction of those who could have acted; the indifference of those who should have known better; the silence of the voice of justice when it mattered most; that has made it possible for evil to triumph.  –  Haile Selassie

Als ich die Grenze nach Kambodscha überquerte, war es schwer, nicht daran zu denken, was hier Ende der 70ger Jahre geschah …

Unter der  Führung von Pol Pot – dem selbst ernannten „Bruder Nr. 1“ – starteten die Roten Khmer ein grausames „Experiment“, in dem sie die Gesellschaft gewaltsam  in einen Agrar- kommunismus zu überführen gedachten.

Sprecher der Roten Khmer (Khmer Rouge) verkündeten den Beginn eines neuen revolutionären Zeitalters, in dem jede Form der Unterdrückung und der Gewaltherrschaft abgeschafft würde. In den ersten Monaten dieser revolutionären Ära verwandelte sich das Land jedoch in ein gigantisches Arbeits- und Gefangenenlager. Die Stadtbevölkerung wurde deportiert und zur Zwangsarbeit auf die Reisfelder des Landes verbannt. Die über zwei Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Phnom Penh wurde somit binnen weniger Tage zu einer Geisterstadt. Tagesarbeitszeiten von zwölf Stunden oder mehr waren keine Seltenheit, jeder Schritt wurde überwacht und wer zu spät zur Arbeit erschien, konnte wegen des Verdachts auf Sabotage hingerichtet werden.

Banken, Krankenhäuser und Schulen wurden geschlossen, buddhistische Klöster, christliche Kirchen und Moscheen zerstört. Geld wurde als Zahlungsmittel abgeschafft, Bücher verbrannt, Lehrer, Händler und beinahe die gesamte intellektuelle Elite des Landes wurden ermordet, um so den Agrarkommunismus, wie es Pol Pot vorschwebte, zu verwirklichen.

Während der vierjährigen Schreckensherrschaft wurde nahezu ein Drittel der Landesbevölkerung in Todeslagern umgebracht oder kam bei der Zwangsarbeit auf den Reisfeldern ums Leben. Das Folterzentrum Tuol Sleng, auch bekannt unter dem Namen S-21, war einst eine Schule und wurde unter den Roten Khmer zu einem der grausamsten Orte ihres Herrschaftssystems. Klassenzimmer wurden zu einem düsteren Ort der Hoffnungslosigkeit. Nicht einzelne Verdächtige wurden verhaftet, sondern zumeist ganze Familien. Niemand sollte später Rache üben können.

Mehr als 20.000 Gefangene wurden durch Tuol Sleng geschleust. Weniger als 35 überlebten den Ort. Wer nicht an Folter starb, wurde auf den Killing Fields vor den Toren der Stadt umgebracht. Um Munition zu sparen, wurden die Gefangenen nicht erschossen, sondern mit Eisenstangen oder Äxten erschlagen. Kinder wurden gegen Bäume geschlagen, bis sie tot waren. Die ausgehobenen Massengräbern sind heute deutlich sichtbar. Doch starker Regen vermag immer noch Kleidung und Knochenreste aus dem Boden zu waschen …

Angesichts der Tatsache, dass sich all dies Ende der 70ger Jahre abspielte, frage ich mich, ob wir jemals aus den Gräueltaten und Verbrechen der Vergangenheit lernen werden oder ob sie uns lediglich als Bueprint* für die Zukunft dienen.

To say you have no choice is to relieve yourself of responsibility.
Patrick Ness

*Blueprint: Ein Konzept oder Entwurf bestehend aus verschiedenen Bausteinen, die miteinander kombiniert werden können. Ähnlich wie beim Architektenentwurf für ein Haus, zeichnet man nicht jedes Mal das gesamte Gebäude neu, sondern nutzt bereits vorhandene Planungen und wandelt diese entsprechend den aktuellen Bedürfnissen.