Der grüne Norden Vietnams

Challenges are what make life interesting and overcoming them is what makes life meaningful.  –  Joshua J. Marine

Nachdem David mit einem Ambulanz-Jet aus China ausgeflogen wurde, machten auch wir uns wieder auf den Weg. Ursprünglich gedachten wir nur eine Nacht in Chengdu zu bleiben, aber den Umständen geschuldet blieben wir eine Woche. Der weitere Reiseverlauf wurde entsprechend angepasst, was letzten Endes bedeutete, die kürzeste Route nach Laos zu nehmen. Der erste Tunnel, in den wir einfuhren rief unmittelbar die Erinnerungen an das wach, was vor einigen Tagen geschehen war … David’s tragischer Unfall war noch eine ganze Weile gegenwaertig.

An der Grenze gab es dann fast schon wie erwartet Komplikationen. David’s Motorrad musste auf eine ausreisende Person registriert sein. Vaughan, der mit seiner Frau und einem alten 4×4 Iveco Teil unserer Gruppe war, übernahm diese Aufgabe. Doch die chinesischen Zollbeamten sahen das mal wider ganz anders und ordneten sowohl Vaughan als auch seine Frau dem Truck zu. Natürlich wäre es für die zwei möglich gewesen mit Truck und Motorrad einzureisen, aber aus welchen (mal wieder nicht nachvollziehbaren) Gründen, wurde unserem Ansatz strikt widersprochen. Stattdessen warteten wir an der Grenze bis ein Chinese nach Laos ausreiste, auf den die Behörden dann David’s Motorrad registrierten. Natürlich hatte diese Person weder etwas mit David’s Motorrad noch etwas mit unserer Gruppe zu tun, aber augenscheinlich musste der Papierkram in irgend einer Form komplettiert werden und die Welt war wieder in Ordnung. Muss man nicht immer die Verwirrungen chinesischer Bürokratie verstehen …

Vier von uns blieben nach der Ausreise aus China noch zusammen und gemeinsam fuhren wir nach Chiang Mai / Thailand. Jimmy, mein Zimmergenosse, traf dort seine Frau und beendete seine Reise in Thailand. Artur und BigJim wollten wie ich das Bike bei BMW warten lassen, bevor es weiter durch Südost Asien ging. Bei mir war mittlerweile die 20.000 km Inspektion fällig, welche ich ursprünglich mal für Bangkok vorgesehen hatte.

Da das Zeitfenster für Vietnam in wenigen Tagen offen war und unser Trip in den Norden Thailands notwendig aber nicht geplant war, gab es nicht viel Zeit zu verlieren. Folglich hatten wir vier Grenzkontrollen an einem Tag: Wir verliessen China gegen Mittag, reisten nach Laos ein, erledigten den notwendigen Papierkram inklusive Visa und sind am Abend, wenige Stunden später über den Mekong wieder aus- und nach Thailand eingereist.

David, BigJim, Artur und ich hatten geplant, gemeinsam nach Vietnam zu gehen. Um nach Vietnam mit dem eigenen Fahrzeug einzureisen, bedarf es allerdings einer Sondergenehmigung des vietnamesischen Verkehrsministeriums. Diese zu erhalten, ist nicht einfach. Ich hatte einiges an Zeit und Research investiert und mich lange vor Reiseantritt darum gekümmert, so dass wir einen vom Ministerium ausgestellten Brief in der Tasche hatten. Die Genehmigung gab’s natürlich nicht für lau. Jeder von uns hatte dafür einen signifikanten Geldbetrag hinblättern dürfen.

China hat jedoch viel verändert …

Davids Trip endete in einem Tunnel. BigJim, der mit David nach Australien reisen wollte, entschied in Chiang Mai seine Reise zu beenden und flog zurück nach Großbritannien und auch Artur, der Brasilianer in unserem Team, beschloss eine mehrmonatige Pause einzulegen und buchte seinen Rückflug nach Rio. Somit trennten sich unsere Wege im Norden Thailands und ich war wieder alleine auf der Strasse. Klingt triste? Nun ja, in der Gruppe zu reisen hat ohne Zweifel seine Vorteile, aber unterschiedliche Interessen können es auch zeitweise zu einer wahren Herausforderung werden lassen. Abhängig von der Landschaft hielt ich gewöhnlich häufiger, um besondere Eindrücke in Bildern festzuhalten. Das war in China nahezu nicht möglich, da sich kaum jemand aus dem Team die Zeit nahm anzuhalten. Trotz allem stoppte ich einige Male, was dann regelmäßig in einem Rennen endete, um die Gruppe wieder einzuholen. Nach mehr als sechs Wochen in Gesellschaft war es somit auch wieder ein gutes Gefühl, Tempo und Rhythmus selber zu bestimmen.

Ich brauchte drei Tage von Thailand über Laos bis zur Vietnamesischen Grenze. Dem Grenzübergang zwischen Laos und Vietnam sah ich dann aber doch mit ein wenig Anspannung entgegen. Ich wusste, dass es in den Bergen sein würde, aber keiner konnte mir genau sagen, wie sich die Strassenverhältnisse gestalten würden und da wir in Südost Asien seit Juli Regenzeit haben, sind unbefestigte Strassen mit der GS nicht immer als romantische Herausforderung zu sehen.

Gegen Mittag war ich an der Grenze. Auf der laotischen Seite wollte man mein Visa noch nicht entwerten, da die Zöllner skeptisch waren, ob ich mit meinem Motorrad nach Vietnam einreisen dürfte. Vermutlich hatten sie ihre Erfahrungen und wie bereits erwähnt, spontan wäre da nichts zu machen gewesen. Als ich auf der vietnamesischen Seite ankam, durfte ich dann erst einmal eine geschlagene Stunde warten. Das gesamte Grenzgebäude war menschenleer. Mittagspause. Dann verlief alles problemlos und ich war mit meiner BMW in Viet Nam … alle Mühen und unzählige Mails, um die Genehmigungen zu erhalten, waren es Wert gewesen …

Der Norden bietet spektakuläre Landschaften, oft charakterisiert durch in die Berghänge gearbeitete Reis-Terrassen. Ich verbrachte die erste Nacht in Dien Bien nahe der Grenze und machte mich am nächsten Tag auf nach Sa Pa. Da der August einer der regenreichsten Monate in der Monsun-Saison ist, war es keine sonderliche Überraschung, dass heftige Regenfälle ihre Spuren in der Bergregion hinterlassen hatten. Folglich war an diesem Freitag mal wieder ein wenig mehr Offroad-Action angesagt. Doch der Pamir in Tajikistan war ein gutes „Trainings-Camp“ und ich hatte nicht wirklich Schwierigkeiten, abgesehen von ein paar sehr schlammigen Abschnitten.

Was mir allerdings an diesem Tag erhebich zusetzte, war die Kombination aus hoher Luftfeuchtigkeit, 38 Grad Celsius und den besagten Offroad-Passagen, welche grundsätzlich immer mehr physische Arbeit bedeuten als sauber asphaltierte Teerstrassen. Hinzu kam, dass am frühen Nachmittag auch noch die Strasse für eine Stunde gesperrt wurde und ich wortwörtlich in meinen Klamotten gedünstet wurde. Es gab genau einen Baum weit und breit und jeder der warten musste, versuchte ein schattiges Plätzchen abzubekommen.

Sapa wurde 1922 von den Franzosen als Bergstation gegründet und ist heute die Basis für viele Exkursionen im Norden des Landes. Von hier aus suchte ich mir einen Weg in die Dong Van Highlands weit oben im Norden des Landes und nur wenige Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt. Auf dem Weg traf ich immer wieder auf in den Highlands lebende Bergstämme, welche die Früchte ihrer Arbeit an der Strasse verkauften. Auch nahm ich viele Kinder wahr, oft keine 10 Jahre alt und manchmal deutlich jünger, welche mit grossen Körben auf dem Rücken die Strasse entlangzogen, Wasserbüffel hüteten oder Waren anboten.

Regen gab’s natürlich ausreichend zu dieser Jahreszeit und als ich einige Tage später auf dem Weg nach Hanoi war, machte auch meine R1200 GS Adventure klar, dass sie nicht zaubern kann. Die Strasse war durch starke Regenfälle überflutet. Es war jedoch nicht das erste Mal, dass ich Flüsse oder überflutete Abschnitte zu durchqueren hatte. Ich beobachtete den Verkehr eine ganze Weile, dann fuhr ich stehend auf meiner GS langsam in die Wassermassen. Die grösste Sorge gilt immer tiefen Passagen, versteckten Löchern und meinem Luftfilter. Als ich ein Moped passieren musste, wählte ich die rechte Seite und wie sich herausstellte wohl auch die tiefere. Meine vorwärts marschierende GS teilte das Wasser, Bugwellen rollten seitwärts und dann fing sie plötzlich an sich zu verschlucken … Nach 25.000 km war es das erste Mal, dass wir uns derart ernsthaften Problemen gegenüber sahen und an technische Grenzen stiessen. Dann stoppte der Motor. Unzählige Gedanken schossen mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Ich wusste, dass wenn sie Wasser geschluckt hatte und ich den Anlasser starten würde, ich eine ganze Menge Schaden anrichten konnte. Ich ging das Risiko ein. Der Boxer stotterte, sprang aber an … ich riss das Gas auf, liess die Kupplung kommen und sah zu, dass wir aus dem tiefen Wasser herauskamen. Der Motor stotterte noch ein paar Mal, als wir den überfluteten Strassenabschnitt längst hinter uns gelassen hatten.

Am Abend nahm ich mir die Zeit und checkte den Luftfilter. Offensichtlich erreichten die Bugwellen den Ansaugstutzen, wodurch Wasser in den Luftkanal gelangte. Wir kamen also gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon. Ein wenig Kollateralschaden gab’s dann aber doch noch zu beklagen. Die Lampe meines linker Satellitenscheinwerfer explodierte förmlich bei der Durchfahrt, als Wasser in das Scheinwerfergehäuse eindrang. Als ich mir den Schaden genauer ansah, musste ich feststellen, dass BMW da eine Glühlampe ganz besonderer Art verbaut hatte – unmöglich in Hanoi zu bekommen.

Allerdings wollte mein Bruder mich für ein paar Tage in Vietnam besuchen kommen. Nun war es bereits Freitag Abend und sein Flug nach Hong Kong ging am Montag … nicht gerade viel Zeit, um eine Lampe von BMW in Deutschland zu organisieren. Doch „the love of a family is life’s greatest blessing“ und was soll ich sagen: Dienstag Abend in Hanoi hatte ich eine neue Lampe in den Händen 🙂

Zusammen verbrachten wir ein paar tolle Tage in Halong Bay, bevor ich mich auf den langen Weg nach Ho Chi Minh machte … Stay tuned !