Do not follow where the path may lead. Go, instead, where there is no path and leave a trail. – Ralph Waldo Emerson
Als ich am Ende des Anzob-Tunnel wieder Tageslicht erblickte und kurz darauf rechts parkte, hielt auch der weiße Land Rover. Wir tauschten uns kurz aus und eine Frau meinte zu mir, dass sie sehr besorgt um mich gewesen seien. Ich lächelte Sie an und meinte, dass es mir nicht anders ergangen sei.
In Dushanbe traf ich auf Kim. Er ist auf dem Weg in die Mongolei und will dann weiter nach Sibirien. Der Pamir – von den Einheimischen auch Bam-i-dunya oder das Dach der Welt genannt, – stellte für uns beide eine Herausforderung dar. Die Natur ist rau, manche Gegenden unbewohnt und einsam und ein plötzlich auftretendes technisches Problem, könnte schnell zu einem größeren Debakel werden.
Der Pamir Highway von Khorog nach Osh wurde zwischen 1931 und 1934 von sowjetischen Ingenieuren gebaut und diente primär dem Ziel, in der entfernten Region Truppen zu stationieren und entsprechend zu versorgen. Die Grenze zwischen beiden Ländern stellt nach wie vor eine der Hauptarterien für den Drogenschmuggel in der Region dar. Entlang der Grenze existieren daher mehrere Checkpoints, an denen man sich registreiren muss. Unsere Route führte mehr als 500 Kilometer entlang der afghanischen Grenze und wir entschieden somit, gemeinsam in die Berge zu gehen.
Kim und ich wählten die wenig befahrene Südroute, welche kontinuierlich dem Grenzfluss zwischen Afghanistan und Tadschikistan folgt und durch das im Süden liegende Wakhan-Valley führt. Hotels gibt es hier nahezu keine. Unterkunft findet man vorwiegend in sogenannten „Homestays“, Zimmer, welche von lokalen Familien vermietet werden. Geschlafen wird häufig auf einfachen auf dem Boden liegenden Matratzen und die sanitären Einrichtungen genügen lediglich den lokalen Ansprüchen. Fließend Wasser oder eine warme Dusche sind im Pamir längst keine Selbstverständlichkeit. Elektrizität war regelmäßig nur für wenige Stunden am Abend verfügbar, vorausgesetzt der Generator streikte nicht wieder, was allerdings eher die Regel war. Das veranlasste uns mehrfach, zeitig Schlafen zu gehen.
Tadschikistan ist eines der Länder, welche unter dem Zerfall der Sowjetunion nach wie vor leiden. Die Unterstützung aus Moskau dürfte versiegt sein und so manch einer wünscht sich die „guten alten Zeiten“ zurück. Das Land verfügt kaum über eigene Ressourcen und finanzielle Mittel, um die Infrastruktur auszubauen, sind offenbar stark begrenzt. Da bleibt den Menschen nicht viel, außer einem sehr schlichten und harten Lebensalltag in den Bergen.
Von den mehr als 1.200 Kilometern von Duschanbe nach Osh, fuhren wir nahezu die Hälfte stehend auf unseren Bikes. Stehend zu fahren ist zwar grundsätzlich anstrengender, erlaubt jedoch bei schwierigen Streckenverhältnissen ein deutlich besseres Handling der Maschine. Viele Teilabschnitte sind nicht asphaltiert oder in schlechtem Zustand und der feine Staub der Offroad-Strecken drang in nahezu jeden Winkel unserer Ausrüstung. Als wir einen kleinen Wasserfall an einer Felswand passierten, nutzte ich die Gelegenheit und marschierte geradewegs in das herabstäubende Wasser, um so wenigstens den gröbsten Dreck aus meinem KLIM-Anzug zu waschen.
Als wir von der Südroute wieder auf die Hauptverbindung des Pamir Highway trafen, machten wir noch einen Abstecher zum Yashi’kul See und wurden mit einer atemberaubenden Landschaft belohnt. Der See liegt 3.700 Meter über dem Meeresspiegel, was diese Region jedoch auch zu einer der kältesten in Tadschikistan macht. Das hielt uns aber nicht davon, hier für eine Nacht zu kampieren. Angesichts der Szenerie und eines eigenen Strandes kam uns die Idee, die Bikes ein wenig am Strand zu testen … ein wahrlich toller wenn auch nicht ganz vernünftiger Gedanke mit einschlägigen Konsequenzen. Insbesondere meine Adventure zurück zum Zelt zu bewegen, war ein Drama in meheren Akten aber wir hatten unsere Lektion gelernt …
Die bevorstehende Nacht war lang und kalt. Ich wusste, dass ich für diese Reise Kompromisse eingehen musste und da ich vorwiegend in warmen Regionen unterwegs sein würde, entschied ich mich für einen Sommerschlafsack. Dass diese Ausrüstung nicht optimal für alpine Regionen ausgelegt war, versteht sich von selbst und so kletterte ich gegen 1:30 Uhr aus meinem Schlafsack und zog alles an, was noch zur Verfügung stand. Diese kleine Unterbrechung meiner ohnehin eher schlaflosen Nacht gab mir Gelegenheit, den klaren Sternenhimmel zu bewundern und ich musste mir eingestehen, dass es ist bereits einige Jahre her war, dass ich fernab von Großstadtlichtern einen derartig schönen Nachthimmel wahrnehmen durfte.
Warm wurde es trotzdem nicht wirklich und als wir morgens unere Zelte öffneten bekamen wir eine Idee davon, wie kalt die Nacht tatsächlich war. Unsere Wasserflaschen vor dem Zelt waren mit einer dicken Eisschicht überzogen …
Von Yashil’kul machten wir uns auf den Weg nach Murgab und da der Ort nicht wirklich Anlass gab, hier einen Samstag Abend zu verbringen, aßen wir nur eine Kleinigkeit zu Mittag und machten uns noch am späten Nachmittag auf den Weg nach Karakul. Der kleine Ort liegt an einem großen See und wir entschieden uns, hier einen Tag zu verweilen, bevor wir die Grenze nach Kirgistan passieren würden.
Am Rande der Strasse in Richtung Karakul sahen wir immer wieder Zäune aus Stacheldraht, welche das Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und China markierten. Erst die Nähe zu China machte mir plötzlich klar, wie weit ich eigentlich in den letzten Wochen gereist war …